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Warum ist es so schwer, sich von alten Dingen zu trennen?

Jetzt ziehe ich um. Zum gefühlten 10. Mal. In Wirklichkeit ist es nicht viel weniger. Und ich habe viel zu viel »Zeug«. Manches davon ist wertloser Schrott, anderes sentimentaler Schrott und dann gibt es die Kategorie »Zu schade zum Benutzen«, welche zu besonders perfiden Knoten im Hirn führt, sobald man die Dinge anschaut und sich fragt, ob man sie wirklich braucht.

Da wäre dieses Etuikleid für 120 Euro. Viel Geld für mich, und ich wollte es unbedingt haben. 5 kg mehr und 5 Jahre später ist das Kleid zwar immer noch klassisch, aber halt auch nicht wirklich chic. Und so behalte ich es seit 5 Jahren nur, weil es teuer war. Heute habe ich es in meine »VINTY’S-Tüte« gesteckt. Ja, richtig. Ich will kein Geld mehr dafür. Ich will nicht Stunden damit zubringen, in abgefuckten 2nd Hand Läden gesagt zu bekommen: »Hm, also wir nehmen eher teurere Mode, so bei Marc O’Polo fangen wir an preislich.«

Die Frau, die das sagt, steht selbstbewusst abgestützt auf ihrem Hochglanz-Schreibtisch. Wenn man die Auswahl der von reichen Schnepfen abgelegten Garderobe sieht, fragt man sich, wo das Geld für den Tisch herkommt. Dann erzählt sie mir kurz ihre Firmenphilosophie. Wie sie ihren kleinen, aber feinen Shop aufbauen will. Ich nicke lächelnd. Hinter mir hängt was von Armani mit Leoparden-Druck. Könnte vom Design her auch von Kik sein, aber okay… Ich war schon ein paar Mal in solchen Läden, weil ich meine Klamotten nicht wegwerfen wollte und die Kleiderspende mir irgendwie suspekt ist. »Kleiderspende« klingt so nach Wohltaten. Ist aber in vielen Fällen Privatwirtschaft. Profit statt Hilfe. Abgesehen davon mag ich es grundsätzlich nicht, die Kleidung irgendwo zu lassen. Und manches will ich auch nicht einfach verschenken. – Das ist nicht des Geldes wegen, sondern viel mehr, weil meine Sachen mir eine schöne Zeit gegeben haben, mir wichtig waren. Ich möchte, dass der neue Besitzer etwas dafür zahlt, damit es für ihn auch einen Wert hat. – Aber zum Glück habe ich nichts Teureres als Marc O’Polo-Sachen. (Alle mal augenrollen…) – Es wird also bloß differenziert zwischen Verschenken und Verkloppen. Und das meiste wird – mit Blick auf die Motivation, mich mit Secondhändlern rumzuschlagen – wohl verschenkt.

Konsum ist belastend, finde ich

An sich kaufe ich auch recht selten Klamotten. Alle paar Monate mal. Drum hat »Fast Fashion« mich als Begriff ganz schön erschreckt. Fast fashion bedeutet im Prinzip, sich ständig neu einzudecken mit Kleidung. Jeden Monat. Jede Woche? Ich weiß nicht. Ich für meinen Teil finde Shopping allgemein nur extrem nervig. Viele Menschen in vielen engen Läden. Man wird angerempelt und dann machen in München die Läden sowieso 8 Uhr abends zu. (Großstadt? Möööp!) Da bleib ich doch lieber vorm Rechner hängen und kaufe gar nix. Am schlimmsten sind Schuhe. Das Maß an Indolenz, welches zum Ertragen von Schuh-Geruch, hilfsbereiten Schuhfachverkäufern und einer schier endlosen Auswahl an grauenhaften Hacken nötig ist, habe ich nie erreicht. Deshalb is mit Schuhekaufen nur 1x im Jahr. – Warum schreibe ich das? Weil ich gerade Dinge weggebe, die ich unnötig gekauft habe obwohl ich so selten einkaufen gehe. Was müssen manch andere Damen erst in ihren Schränken bunkern? (Sein wir ehrlich, männliche Shopping victims sind eher selten.) Und wer ständig neu kauft, der muss ja auch ständig wegwerfen. Das nervt doch?!

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Der Minimalismus hat mich eiskalt erwischt. Selbst nach zwei 60 Liter Säcken Kleider-Ausschuss habe ich immer noch das Gefühl, es ist viel zu viel. Andererseits: Mein Kätzchenkleid muss eben diesen Sommer einfach getragen werden! Es muss!

Egal. Ärmel hochkrempeln und Adieu sagen! Einen 60 Liter Sack mit Sachen habe ich schon voll. Jetzt muss ich ihn nur noch runter bringen. Ich habe die Klamotten in 3 Kategorien sortiert: Kleiderspende, VINTY’S-Tüte und »Letzter Second Hand Versuch«. In die Kleiderspende kommt nur, was hässlich oder wirklich alt ist. In der Annahme, dass einiges davon vielleicht als Matratzenfutter endet. Die VINTY’S-Tüte ist gefüllt mit Dingen, für die ich kein Geld mehr will, weil ich denke, dass sie Menschen freuen werden und ich sie gern verschenke. In dieser Tüte ist das meiste. Sie ist voll mit Sachen, die mir mal gut gefallen haben aber einfach nicht mehr zu mir passen. Und die letzte enthält ein paar Einzelstücke, die verkauft werden sollen. Mit dieser Einteilung, die irgendwie auch aus dem Rest-Wert, den die Sachen noch für mich haben kommt, geht das eigentlich ganz gut. Und wenn es sehr weh tut, dann mache ich einfach ein Foto. Foto ist definitiv eine bessere Verewigung als das Ungetragene noch länger rumhängen zu haben.

Letztlich tut’s ja auch echt gut, den Kram raus zu schmeißen. Nicht nur Klamotten. Mehr so… die absurden Reise-Souvenirs … die Lebensmittel, die gar nicht schmecken … ungewollte Geschenke, die man aus »Anstand« behalten hat. Dann wäre da meine Sammlung von »Lesezeichen«, die aus Klamotten-Schildchen besteht (Warum wird sowas überhaupt produziert? Man weiß doch auch so, dass es eine ausgewaschene Jeans mit Katzen-Muster ist???!!!^^1221?). Und dann ist da noch das Flughafen-Scanner-Klebedings an meinem Koffer aus Paris. (-.-) Das ist nicht mal schön! Aber ich habe es in sentimentaler Umnachtung vor allem an meinem Koffer gelassen, damit es in der S-Bahn cooler aussieht. – All dieser Kleinscheiß füllt mittlerweile Säcke. Das hätte ich dann doch nicht gedacht. Dass es so viel ist.

Aber dass Reduktion gut tut, ist ja hoffentlich bekannt…

Das Komische am Loswerden dieser Sachen ist aber nicht, dass man sich so enorm verringert. Sicher, das ist schön, befreiend und so weiter. Die Minimalismus-Bloggerwelle kann das bestätigen (möglicherweise reihe ich mich ein). Sondern das Interessanteste dabei ist, dass es mit jedem Ding weniger weh tut. Also, es ist durchaus traurig, manche Sachen wegzuschmeißen. Aber mein Willen wird mir irgendwie klarer. Ich will nämlich einfach nicht so viel besitzen. Auch wenn es teilweise tolle Sachen sind, die ich mal sehr mochte. Gerade Dinge, die immer noch ein bisschen nützlich sind, gebe ich ab, einfach nur, weil ich weniger haben will. Weniger im Allgemeinen. Denn mit jedem Teil, das verschwindet, werden die einzelnen Sachen mehr wert. Ich bin am Schluss nur noch umgeben von den Sachen, die mir wirklich etwas bedeuten. Damit passe ich sicher nicht so richtig in die Minimalismus-Schiene. Vermutlich wünschen sich einige der Mac-nutzenden Klarheitsfreaks, dass alles Dekorative, Überflüssige und potentiell Staubfangende radikal aus ihrem Leben verschwindet. Vermutlich arbeiten diese Menschen sehr hart daran, nichts zu brauchen. Aber das möchte ich erst einmal nicht. Insbesondere werfe ich nichts Nützliches weg, nur um radikal wenig zu haben. Ich brauche meine Saftpresse und die Küchenmaschine und die 4 Kochlöffel. Was ich nicht brauche, sind massenweise schmerzhafte Erinnerungsstücke und teure Kleider. Die machen mich unglücklich und träge und wenn ich mein Bücherregal ansehe, dann wird mir ein ganz kleines Bisschen schwindelig…

Ich glaube, der Zweck des Loslassens ist nicht, dass man ins andere Extrem umschlägt und sich selbst auflöst. Ich, und viele andere Menschen, leben in ihren Sachen. Ich bestehe ein Stück weit aus meinen Sachen, und das ist schon ganz gut so. Besitz ist nichts Schlimmes. Er symbolisiert das, was man sich im Leben erarbeitet hat. Nur, wenn ich merke, dass die Sachen eigentlich an mir hängen, und nicht ich an ihnen, dann verabschiede ich mich.